Die typischen, auf den Einzelhandel bezogenen Headlines der Zeitungen und Fachzeitschriften klangen in den letzten Jahren, wenn nicht gar im ganzen letzten Jahrzeht oft reißerisch und nahezu apokalyptisch: "Das Sterben der Innen- und Kleinstädte", "Online-Handel ruiniert den stationären Einzelhandel", "Inhabergeführte Geschäfte vor dem Aus" etc.
Leider treffen diese Aussagen vielerorts zu. Wir schätzen uns glücklich und betonen oft, dass Brilon im Vergleich zu anderen Kleinstädten gut aufgestellt ist und in Anbetracht der heutigen Zeit stimmt dies sicherlich auch. Aber wenn man mal in Erinnerungen schwelgt, fällt doch auf, was über die Jahre alles verloren gegangen ist. Es gab zwei Kaufhäuser mit mehreren Etagen, Fachgeschäfte mit Waren, die heute wahrscheinlich von der Mehrheit mit nur einem Klick bei Amazon bestellt werden, ein reiner Süßwarenladen, ein uriger Plattenladen, der, wenn es ihn so noch in Berlin oder Amsterdam gäbe, heute wahrscheinlich in jedem Reiseführer angepriesen würde.
Eines gab es allerdings nicht - Leerstände und Handyläden. Tatsächlich haben wir das ein oder andere Mal gescherzt, man müsse mal für ein Wochenende alle Schaufenster der Stadt abkleben, um manchen Leuten die Augen zu öffnen, die nur schlecht über das Städtchen reden und ihm und seinen Geschäften auch noch nichtmals ansatzweise je eine Chance gegeben haben.
Ein Wochenende lang eine Geisterstadt.
Natürlich undenkbar - kein Geschäftsbesitzer würde je freiwillig den Laden geschlossen halten, geschweige denn würden wir dies unseren treuen Kunden und der Laufkundschaft antun.
Und dann kam CORONA...
Ladenschließung per Fernsehansprache von heute auf morgen...Eine Aunahmesituation, die man allenfalls aus Filmen kennt, aber mit der man wirklich NIE, NIE auch in der Realität gerechnet hätte. Unser aller alltägliches Leben wurde quasi auf Eis gelegt.
Selbstverständlich war ich regelmäßig im Geschäft um Bestellungen vorzubereiten, Looks für Social Media zusammenzustellen und einfach auch um mal nach dem Rechten zu sehen.
Was ich aber leider auch zu sehen bekam, war die Geisterstadt, über die wir in der Vergangenheit mal mit mehr, mal mit weniger Humor geschrotzt hatten. Eine menschenleere Bahnhofstraße und ein leergefegter Marktplatz. Natürlich trifft es uns Geschäfte, Gastronomen, Hoteliers und Dienstleister hart, weil wir nun wochenlang fast komplett auf Umsatz verzichten mussten und das in Monaten, die erfahrungsgemäß vom Aufschwung und der neuerwachten Lebens- und Erlebenslust geprägt sind. Machen wir kein Schleifchen darum, diese Situation ist so bisher einmalig und auch existenzbedrohend. Aber die finanziellen Aspekte mal beiseite, fehlen auch einfach die Kontakte, nette Begegnungen und das gute Gefühl, jemanden glücklich gemacht zu haben, sei es auch "nur" durch ein tolles neues Outfit."Brilon blüht auf" und Ostern bei dem grandiosen Wetter der letzten Wochen, wären absolute Besuchermagnete gewesen - Draußen mit Bekannten quatschen, nette Treffchen auf dem Markt, ein schneller Kaffee in der Sonne, ein spontaner Einkaufsbummel, gut gelaunte Passanten und Kunden und die Freiluftsaison im Biergarten einläuten. Bis vor wenigen Wochen alles Banalitäten unseres Alltags, heute aber schmerzlich vermisst und umso mehr geschätzt.
In Krisenzeiten, so sagt man, lernt man sich richtig kennen und jede Notlage bringt auch wieder Gutes hervor. Klingt abgedroschen, aber es ist etwas Wahres dran.
Kundinnen, aber auch neue"Entdecker" unseres Geschäfts haben uns in jedweder Weise untersützt, sei es durch Bestellungen, Anrufe oder einfach liebe, aufmunternde Worte. Dafür ein riesengroßes Dankeschön. Es ist großartig zu sehen, dass Unternehmen, ob klein oder groß, nicht die Köpfe in den Sand gesteckt, sondern angepackt haben und kreativ geworden sind.
Zu guter Letzt, haben uns diese schweren und unrealen Wochen aber auch eines ganz deutlich gezeigt: Unser kleines Brilon ist lebens- und liebenswert und wir sollten es schätzen, pflegen und nicht mehr für selbstverständlich nehmen, denn unser Städtchen lebt nur durch uns.
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